Zwei Grenzschützer aus Bärnau und Tachau besuchen die 9pA des Gymnasiums Neustadt und geben spannende Einblicke über die Situation an der tschechisch-deutschen Grenze zur Zeit des Kalten Krieges
Vor fast genau 30 Jahren, am 23. Dezember 1989, durchtrennten Jiří Dienstbier und Hans-Dietrich Genscher mit einem Bolzenschneider den Stacheldraht am tschechoslowakisch-deutschen Grenzübergang Waidhaus / Rozvadov. Die Außenminister beider Länder besiegelten damit endgültig den Fall des Eisernen Vorhangs.
Was in den Jahren davor passierte, wollten die Schüler der Klasse 9pA des Gymnasiums Neustadt im Rahmen eines Projekts „Grenzgeschichten“, finanziert durch den Deutschen-Tschechischen Fonds in Prag, erfahren. Dazu interviewte die Klasse zwei ehemalige Grenzbeamte, Robert Tomšu aus Tachau und Rudolf Braunschläger aus Bärnau.
In besonderer Weise betroffen war der kleine Ort Paulusbrunn, direkt an der deutsch-tschechischen Grenze bei Bärnau gelegen. Die Bewohner wurden umgesiedelt und die Gebäude weitgehend dem Erdboden gleich gemacht. Laut Robert Tomšu definiert die tschechische Grenzsicherung den Ort so: „Pavlův Studenec ist eine Siedlung in der ZP (verbotene Zone). Die Siedlung ist sehr abgelegen, nur wenige Gebäude wie die ehemalige Schule oder der Kirchturm ohne Dach als Beobachtungsstand sind für die Bedürfnisse der PS (Grenzschutz) nutzbar“. Die Breite der verbotenen Zone an der Staatsgrenze betrug 3510 Meter und an der Drahtsperre nochmals 2888 Meter.
Warum sind diese Orte verschwunden, wollten die Schüler von Tomšu wissen. Die Antwort ist zwiespältig. „Den eigenen Landsleuten verkauften die Kommunisten, dass die Deutschen die Feinde sind. Diese Feinde müssen wir im Blickfeld haben, also brauchen wir freie Sicht, und alles muss alles weg“. Der eigentliche Grund war jedoch, dass die Staatsführung Angst hatte, es könnten sich Flüchtlinge verstecken und leicht über die Grenze kommen.
Braunschläger erklärte, dass die deutschen Kollegen einfach nur zusehen mussten. Bei ganz nahen Häusern erlebten die ehemaligen Bewohner unter Tränen und geballten Fäusten, als ohnmächtige Zuschauer, wie ihr Besitz vernichtet wurde.
Die Grenzschützer berichten über die Situation auf beiden Seiten der Grenze: „Tschechischen Grenzsoldaten ging es dreckig“, so Tomšu, „viele lagen oft acht Stunden im Schnee Wache“. Er erinnerte sich an einen Fall, als er im tiefen Winter im Jeep mit einem Arzt als Beifahrer zu einem Wachturm rasen musste, weil von dort ein Notruf gekommen war. Denn die Wachsoldaten hatten vor Dienstantritt „so gesoffen, dass einer von ihnen nicht in der Lage war, auf den Wachturm zu klettern. Die anderen ließen ihn unten am Boden ausschlafen. Der Arzt konnte nur noch den Tod durch erfrieren feststellen“.
Die Frage an Herrn Braunschläger, ob er in seiner Dienstzeit mitbekommen habe, dass es drei Tote an der Grenze bei Paulusbrunn gegeben habe, beantwortete er mit Nein. Von Herrn Tomšu wollten die Schüler am Ende wissen, ob etwas dran ist, an den Geschichten von einer fingierten Grenze in der Zeit des Kalten Krieges und ob es auch im Raum Bärnau so eine Grenze gab? Der Tachauer bejahte dies. ,,Es gab falsche Grenzen bei der sogenannten Aktion „Kámen- Akce“. Die Opfer und Täter gehören zu den am strengsten geheim gehaltenen Verbrechen der Staatssicherheit zwischen 1948 – 1951. Gemeint sind falsche Grenzbefestigungen im Hinterland, deren Überwindung eingeplant war. Fluchtwilligen wurde durch Personen der Staatssicherheit in deutschen und amerikanischen Militäruniformen und in extra nachts hell erleuchtet Häusern, vorgegaukelt, bereits im Westen zu sein. Dort angekommen wurden ihnen alle Informationen über die Flucht entlockt. Am Ende klickten die Handschellen und sie wanderten ins Gefängnis.
Bild Spannende Einblicke bekamen die Schüler der Klasse 9 P.H. des Neustädter Gymnasiums über die Grenzsituation während der Zeit des Kalten Krieges von Rudolf Braunschläger und Rudolf Tomšu zwei Grenzschützern aus Bärnau und Tachov.